Endgültige Fassung erschienen in Mannheimer Morgen am 24. Januar 2004; diese ist nicht die endgültige Fassung!
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich möchte Bezug nehmen auf den Artikel "Die Besten für die Reichen", erschienen in der Hockenheimer Tageszeitung am Mittwoch, den 7. Januar 2004. Hierin kritisiert Herr Ulrich Schilling-Strack, daß die englischen Universitäten Cambridge und Oxford nur der Geldelite dienten, die es sich leisten könne, ihre Kinder auf Privatschulen zu schicken.
Um die von Herrn Schilling-Strack vorgebrachten Argumente zu entkräften, möchte ich gerne etwas weiter ausholen. Die Bewertung der Schüler an englischen Schulen - privat oder staatlich - wird im Gegensatz zu Deutschland nicht durch den Lehrer, sondern durch unabhängige Institutionen, die Examining Boards, durchgeführt. Schüler privater und staatlicher Schulen werden von den gleichen Examining Boards benotet, wobei die Examiner und Schüler einander anonym bleiben. Die Examiner müssen sich bei der Benotung an vorgegebene, strikte Regeln halten, die genau vorgeben, für welche Antworten Punkte vergeben werden dürfen. Diese Regeln werden vor dem Schreiben der Arbeiten festgelegt. Damit ist die Bevorzugung bestimmter Schülergruppen ausgeschlossen.
Diese objektive Bewertung fließt nun in die Bewerbung bei Universitäten ein. Während 92% aller Schüler staatliche Schulen besuchen, kommen nur 70% der A-level (englisches Abitur) Absolventen mit einem Notenschnitt von 1,0 von diesen Schulen. Unter den sich für Studienanfang in Oxford 2002 bewerbenden Schülern kamen 57% Prozent von staatlichen Schulen - ein Bewerbungsdefizit aus diesem Sektor also. Dieses läßt sich durch das sich hartnäckig haltende Gerücht der geringeren Chance erklären. Dabei läßt es sich dann schon fast durch statistische Streuung erklären, daß unter den erfolgreichen Bewerbern nur 53% aus staatlichen Schulen kamen (immerhin mehr als 50%, im Gegensatz zu Herrn Schilling-Stracks Schilderung).
Die Universität schickt in der Folge der Interviews der Schule jedes erfolglosen Bewerbers einen Brief, mit Angabe von Gründen für die Ablehnung. In manchem Jahr kann die Universität aufgrund starken Andrangs für bestimmte Fächer nicht allen Bewerbern, die ausreichend qualifiziert sind, einen Platz anbieten - schließlich sind die Plätze begrenzt. In solchen Fällen schlägt die Universität oft eine Neubewerbung im nächsten Jahr vor, und solche Bewerber haben eine hohe Erfolgschance. Wo ein entsprechendes Vorurteil besteht, wird solch eine Absage oft als unbegründet betrachtet.
Die Universität Oxford arbeitet hart daran, solche Vorurteile abzubauen - schließlich hängt der zukünftige Erfolg der Universität davon ab, weiterhin die begabtesten Studenten anziehen zu können - wo immer sie auch zur Schule gegangen sein mögen. So gibt es fast 30 Angestellte der Universität, die zu den Schulen Kontakt halten und die über 300 jährlichen Veranstaltungen speziell für Schüler zurückhaltenderer Schulen organisieren.
Der Erfolg dieser Veranstaltungen zeigt sich letzten Endes in den Rangtabellen der Universitäten, die durch verschiedene Zeitungen jedes Jahr unabhängig erstellt werden. Auch 2003 standen Oxford und Cambridge auf den ersten beiden Plätzen in den Ranglisten der großen britischen Zeitungen, darunter die Times, Sunday Times, der Guardian und die Financial Times. Der einzige Ausreißer war der Telegraph, nach dessen Kriterien Cambridge auf dem ersten und Oxford auf dem vierten Platz stand.
Mit freundlichen Grüßen,
Philipp Wesche